Quelle: Robert Koch Institut RKI
Parameter | Wert |
---|---|
Hauptübertragungsweg | Tröpfcheninfektion/ Aerosole |
Häufige Symptome | Husten, Fieber, Schnupfen, Störung des Geruchs- und/oder Geschmackssinns, Pneumonie |
Risikogruppen | insbesondere Ältere, Vorerkrankte |
Basisreproduktionszahl R0(Median) | 3,3–3,8 |
Inkubationszeit (Mittelwert) | 5–6 Tage |
Manifestationsindex | 55–85 % |
Dauer des Krankenhausaufenthaltes | im Mittel 8-10 Tage |
Impfung; spezifische medikamentöse Behandlung | nicht verfügbar |
1. Erreger
SARS-CoV-2 (Severe acute respiratory syndrome coronavirus type 2) ist ein neues Beta-Coronavirus, das Anfang 2020 als Auslöser von COVID-19 identifiziert wurde. Zu den Beta-Coronaviren gehören u.a. auch SARS-CoV und MERS-CoV.
Coronaviren sind unter Säugetieren und Vögeln weit verbreitet. Sie verursachen beim Menschen vorwiegend milde Erkältungskrankheiten, können aber mitunter schwere Lungenentzündungen hervorrufen. SARS-CoV-2 verwendet das Enzym ACE-2 als Rezeptor, um in die Wirtszellen zu gelangen. Eine hohe ACE-2-Dichte besteht im Atemwegstrakt, sowie im Darm, in Gefäßzellen, in der Niere, im Herzmuskel und in anderen Organen.
Weiterführende Informationen zu den Erregereigenschaften finden sich in Abschnitt 19 „Besondere Aspekte“ unter „Tenazität und und Inaktivierung des Virus“ sowie im Dokument zu den virologischen Basisdaten von SARS-CoV-2 des Robert Koch-Instituts.
2. Übertragungswege
In der Allgemeinbevölkerung (gesellschaftlicher Umgang)
Der Hauptübertragungsweg für SARS-CoV-2 ist die respiratorische Aufnahme virushaltiger Partikel, die beim Atmen, Husten, Sprechen und Niesen entstehen (1, 2). Je nach Partikelgröße bzw. den physikalischen Eigenschaften unterscheidet man zwischen den größeren Tröpfchen und kleineren Aerosolen, wobei der Übergang zwischen beiden Formen fließend ist. Während insbesondere größere respiratorische Partikel schnell zu Boden sinken, können Aerosole auch über längere Zeit in der Luft schweben und sich in geschlossenen Räumen verteilen. Ob und wie schnell die Tröpfchen und Aerosole absinken oder in der Luft schweben bleiben, ist neben der Größe der Partikel von einer Vielzahl weiterer Faktoren, u. a. der Temperatur und der Luftfeuchtigkeit, abhängig (2).
Beim Atmen und Sprechen, aber noch stärker beim Schreien und Singen, werden Aerosole ausgeschieden (3-12); beim Husten und Niesen entstehen zusätzlich deutlich vermehrt größere Partikel (13-15). Neben der steigenden Lautstärke können auch individuelle Unterschiede zu einer verstärkten Freisetzung beitragen (4). Grundsätzlich ist die Wahrscheinlichkeit einer Exposition gegenüber infektiösen Partikeln jeglicher Größe im Umkreis von 1-2 m um eine infizierte Person herum erhöht (16). Ein Atemschutz kann das Risiko einer Übertragung durch Partikel jeglicher Größe im unmittelbaren Umfeld um eine infizierte Person reduzieren.
Bei längerem Aufenthalt in kleinen, schlecht oder nicht belüfteten Räumen kann sich die Wahrscheinlichkeit einer Übertragung durch Aerosole auch über eine größere Distanz als 1,5 m erhöhen, insbesondere dann, wenn eine infektiöse Person besonders viele kleine Partikel (Aerosole) ausstößt, sich längere Zeit in dem Raum aufhält und exponierte Personen besonders tief oder häufig einatmen. Durch die Anreicherung und Verteilung der Aerosole im Raum ist das Einhalten des Mindestabstandes zur Infektionsprävention ggf. nicht mehr ausreichend. Ein Beispiel dafür ist das gemeinsame Singen in geschlossenen Räumen über einen längeren Zeitraum, wo es z. T. zu hohen Infektionsraten kam, die sonst nur selten beobachtet werden (17, 18). Auch schwere körperliche Arbeit bei mangelnder Lüftung hat, beispielsweise in fleischverarbeitenden Betrieben, zu hohen Infektionsraten geführt (19). Ein effektiver Luftaustausch kann die Aerosolkonzentration in einem Raum vermindern. Übertragungen im Außenbereich kommen insgesamt selten vor (20). Bei Wahrung des Mindestabstandes ist die Übertragungswahrscheinlichkeit im Außenbereich aufgrund der Luftbewegung sehr gering.
Kontaktübertragung
Eine Übertragung durch kontaminierte Oberflächen ist insbesondere in der unmittelbaren Umgebung der infektiösen Person nicht auszuschließen (21), da vermehrungsfähige SARS-CoV-2-Viren unter Laborbedingungen auf Flächen einige Zeit infektiös bleiben können (22, 23) (siehe unter Abschnitt 19 „Tenazität und Inaktivierung des Virus“). Bei COVID-19-Patienten wurden auch PCR-positive Stuhlproben (24-26) identifiziert. Für eine Ansteckung über Stuhl müssen Viren jedoch vermehrungsfähig sein. Dies wurde in Studien bisher nur selten gezeigt (27, 28).
Konjunktiven als Eintrittspforte
In drei (von 63 untersuchten) Patienten mit COVID-19-Pneumonie waren Konjunktivalproben PCR-positiv (29). Dies ist jedoch kein Beleg, dass Konjunktiven als Eintrittspforte fungieren können.
Übertragungen durch Nahrungsmittel
Nach jetzigem Wissensstand sind bislang keine Übertragungen durch den Verzehr kontaminierter Nahrungsmittel nachgewiesen. Weitere Informationen dazu finden Sie auf den Seiten des Bundesinstituts für Risikobewertung.
Vertikale Übertragung von der (erkrankten) Mutter auf ihr Kind (vor und während der Geburt sowie über die Muttermilch)
Nur wenige Studien haben diese Fragestellung untersucht (24, 30-39). Bislang sind nur einzelne Erkrankungsfälle als mögliche (37, 38) und einmal als bestätigte (40) Folge einer Infektion im Mutterleib beschrieben, meist zeigen Kinder SARS-CoV-2-positiver Mütter nach der Geburt keine Krankheitszeichen (35, 39, 41).
In Muttermilch gelang in einigen Fällen der Nachweis von Virus RNA (39). Eine erfolgreiche Virusanzucht aus Muttermilch ist bislang nicht beschrieben, daher ist nicht abschließend geklärt, ob SARS-CoV-2 durch Muttermilch übertragbar ist.
Medizinischer Sektor
Im medizinischen Sektor sind alle potenziellen Übertragungswege von Bedeutung und müssen durch entsprechende Maßnahmen verhindert werden. Ein Hochrisikosetting sind Aerosol-produzierende Vorgänge, wie z. B. Intubation, Bronchoskopie oder bestimmte zahnärztliche Prozeduren. Zur Verhinderung einer Übertragung werden bei diesen Tätigkeiten spezielle Atemschutzmasken durch die betroffenen Berufsgruppen getragen.
3. Übertragung durch asymptomatische, präsymptomatische und symptomatische Infizierte
Generell wird unterschieden, ob eine ansteckende Person zum Zeitpunkt der Übertragung bereits erkrankt (symptomatisch) war, ob sie noch keine Symptome entwickelt hatte (präsymptomatisches Stadium) oder ob sie auch später nie symptomatisch wurde (asymptomatische Infektion). Eine große Bedeutung haben die Übertragungen von infektiösen Personen, wenn sie bereits Krankheitszeichen (Symptome) entwickelt haben (42, 43). Dabei können diese Symptome relativ subtil sein, wie z. B. Kopf- und Halsschmerzen. Eine solche Phase mit leichteren Symptomen kann einer späteren Phase mit „typischeren“ Symptomen, wie z. B. Fieber oder Husten, um ein oder zwei Tage vorausgehen (44). „Typischere“ Symptome können aber auch ausbleiben.
Darüber hinaus steckt sich ein relevanter Anteil von Personen bei infektiösen Personen innerhalb von 1-2 Tagen vor deren Symptombeginn an (42, 45). Wie groß dieser Anteil ist, kann nicht genau beziffert werden, da in vielen der Studien der „Symptombeginn“ nicht oder nicht gut definiert wurde. Schließlich gibt es vermutlich auch Ansteckungen durch Personen, die zwar infiziert und infektiös waren, aber gar nicht erkrankten (asymptomatische Übertragung). Diese Ansteckungen spielen vermutlich jedoch eine untergeordnete Rolle (46).
Zur Verminderung des Übertragungsrisikos sind in allen drei Konstellationen die schnelle Isolierung von positiv getesteten Personen, die Identifikation und die frühzeitige Quarantäne enger Kontaktpersonen wirksam. Das Abstandhalten zu anderen Personen, das Einhalten von Hygieneregeln, das Tragen von (Alltags-)Masken sowie Lüften (AHA + L-Regel) sind Maßnahmen, die insbesondere auch die Übertragung von (noch) nicht erkannten Infektionen verhindern
Die Basisreproduktionszahl R0 gibt an, wie viele Personen von einer infizierten Person durchschnittlich angesteckt werden, vorausgesetzt, dass in der Bevölkerung keine Immunität besteht und keine infektionspräventiven Maßnahmen ergriffen wurden. Eine Infektion breitet sich langfristig nur dann aus, wenn ihr R0 über 1 liegt. Es ist zu beachten, dass R0 nicht nur eine Eigenschaft des Erregers ist, sondern auch von Randbedingungen, wie z.B. der Bevölkerungsdichte und dem Kontaktverhalten abhängig ist. Für die Basisreproduktionszahl von SARS-CoV-2 wurde in mehreren systematischen Reviews (47-49) ein medianer Wert von 3,3 bis 3,8 ermittelt. Durch infektionspräventive Maßnahmen wie z. B. Abstand halten, das Tragen von Mund-Nase-Bedeckungen, Isolation Infizierter und Quarantäne von Kontaktpersonen kann die natürliche Übertragungsrate gesenkt werden, außerdem sinkt sie bei (deutlich) zunehmendem Anteil immuner Personen in der Bevölkerung. Den daraus resultierenden Wert nennt man Nettoreproduktionszahl (Reff oder Rt). Bei niedriger Neuerkrankungsrate kann die Reproduktionszahl durch einzelne Ausbruchsgeschehen stark beeinflusst werden und ist dann weniger aussagekräftig. In diesem Fall ist ein Wert über die gepoolten Daten aus mehreren Tage weniger für Ausreißer anfällig. Die Reproduktionszahl ist eine von mehreren Maßzahlen, die Auskunft darüber geben, wie gut eine Infektionskrankheit kontrolliert werden kann. Bei einer kurzen Inkubationszeit kann eine hohe Reproduktionszahl zu einer exponentiellen Ausbreitung in der Bevölkerung fü
5. Inkubationszeit und serielles Intervall
Die Inkubationszeit gibt die Zeit von der Ansteckung bis zum Beginn der Erkrankung an. Die mediane Inkubationszeit wird in den meisten Studien mit 5-6 Tagen angegeben. In verschiedenen Studien wurde berechnet, zu welchem Zeitpunkt 95% der Infizierten Symptome entwickelt hatten, dabei lag die 95. Perzentile der Inkubationszeit bei 10-14 Tagen (50-56).
Das serielle Intervall definiert das durchschnittliche Intervall vom Beginn der Erkrankung eines ansteckenden Falles bis zum Erkrankungsbeginn eines von diesem angesteckten Falles. Das serielle Intervall ist bei vielen Infektionskrankheiten länger als die Inkubationszeit, weil die Ansteckung oft erst dann erfolgt, wenn ein Fall symptomatisch geworden ist. Letzteres scheint auf SARS-CoV-2-Infektionen nicht zuzutreffen (57), was auch Studien zu asymptomatischen Übertragungen belegen (siehe oben). Das Robert Koch-Institut schätzt das serielle Intervall für SARS-CoV-2 im Median auf vier Tage (Interquartilsabstand: 3–5 Tage), was durch verschiedene Studien gestützt wird (45, 58-60). Prinzipiell ist das serielle Intervall jedoch keine stabile Eigenschaft eines Erregers, sondern hängt (wie die Reproduktionszahl, s. Abschnitt 4) ebenso von den Eigenschaften der Gesellschaft ab, in der sich ein Virus verbreitet.
6. Manifestationsindex
Der Manifestationsindex beschreibt den Anteil der Infizierten, die auch tatsächlich erkrankt sind. In der Literatur wird von unterschiedlichen Manifestationsindizes berichtet. Das hängt u. a. damit zusammen, dass Untersuchungssituationen in unterschiedlichen Settings sowie die untersuchten Populationen stark differieren. So könnten beispielsweise jüngere Personen ohne Vorerkrankungen nur einmal untersucht worden sein, und das u. U. auch nur während einer frühen Phase der Infektion und ohne Kenntnis darüber, ob sich im weiteren Verlauf noch Symptome entwickelten. Manifestationsindizes werden in verschiedenen Übersichtsarbeiten auf 55-85% geschätzt (61-63).
7. Diagnostik
Siehe FAQs des RKI zur Diagnostik
8. Demografische Faktoren, Symptome und Krankheitsverlauf
Frauen und Männer sind von einer SARS-CoV-2-Infektion etwa gleich häufig betroffen, Männer erkranken jedoch häufiger schwer als Frauen (64). Der Altersmedian in Deutschand liegt bei 45 Jahren.
Zu den im deutschen Meldesystem am häufigsten erfassten Symptomen zählen Husten, Fieber, Schnupfen, sowie Geruchs- und Geschmacksverlust (s. Tab. 2). Der Krankheitsverlauf variiert in Symptomatik und Schwere, es können symptomlose Infektionen bis hin zu schweren Pneumonien mit Lungenversagen und Tod auftreten. Insgesamt sind 3,3% aller Personen, für die bestätigte SARS-CoV-2 Infektionen in Deutschland übermittelt wurden, im Zusammenhang mit einer COVID-19-Erkrankung verstorben.
An Besonderheiten in der Schwangerschaft zeigen die bisherigen Studien, dass Schwangere vergleichsweise seltener Symptome wie z.B. Fieber und Myalgien (41, 65, 66) entwickeln. Eine begrenzte Zahl an Studien zeigt, dass die Wahrscheinlichkeit für die Aufnahme auf eine Intensivstation und für eine invasive Beatmung möglichwerweise höher ist. Die Mortalität ist insgesamt sehr gering, die bekannten Risikofaktoren (s. auch Abschnitt 15) erhöhen jedoch auch hier das Risiko für einen schwereren Verlauf. Da COVID-19 mit einer Hyperkoagulabilität (pathologisch erhöhte Blutgerinnung) einhergehen kann und es auch in der Schwangerschaft physiologisch zu einer Hyperkoagulabilität kommt, sollte die Indikation zur Thromboseprophylaxe sorgfältig geprüft werden (67-69).
Tabelle 2: Erfasste Symptome für COVID-19 Fälle in Deutschland (Meldedaten)
Husten | 45 % |
Fieber | 38 % |
Schnupfen | 20 % |
Störung des Geruchs- und/oder Geschmackssinns* | 15 % |
Pneumonie | 3,0 % |
Weitere Symptome: Halsschmerzen, Atemnot, Kopf- und Gliederschmerzen, Appetitlosigkeit, Gewichtsverlust, Übelkeit, Bauchschmerzen, Erbrechen, Durchfall, Konjunktivitis, Hautausschlag, Lymphknotenschwellung, Apathie, Somnolenz. |
* In Deutschland werden seit der 17. KW für die COVID-19-Fälle Geruchs- und Geschmacksverlust als Symptome erfasst. In vielen internationalen Studien wurde bei über der Hälfte der Probanden ein Geruchs- und/oder Geschmacksverlust nachgewiesen (70-72). Die deutlich höhere Prävalenz resultiert vermutlich aus der intensiveren Ermittlung solcher Symptome im Rahmen von Studien im Vergleich zum Meldewesen.
9. Manifestationen, Komplikationen und Folgeerkrankungen
Es wird angenommen, dass etwa 81% der diagnostizierten Personen einen milden, etwa 14% einen schwereren und etwa 5% einen kritischen Krankheitsverlauf zeigen (73). COVID-19 kann sich in vielfältiger Weise und nicht nur in der Lunge, sondern auch in anderen Organsystemen manifestieren. Die Manifestationsorte sind u. a. von der Dichte der ACE-2 Rezeptoren in den Geweben abhängig, die dem Virus den Eintritt in die Zelle ermöglichen. Neben direkten zytotopathischen (zellverändernden) Effekten werden überschießende Immunreaktionen sowie Durchblutungsstörungen in Folge einer Hyperkoagulopathie beobachtet (68, 69).
Aufgrund der Neuartigkeit des Krankheitsbildes lassen sich keine zuverlässigen Aussagen zu Langzeitauswirkungen und (irreversiblen) Folgeschäden durch die Erkrankung bzw. ihre Behandlung (z. B. in Folge einer Langzeitbeatmung) treffen. Allerdings deuten Studiendaten darauf hin, dass an COVID-19 Erkrankte auch Wochen bzw. Monate nach der akuten Erkrankung noch Symptome aufweisen können (74, 75). Längere Genesungszeiten werden allerdings auch bei anderen Infektionskrankheiten mit Pneumonien beobachtet und sind prinzipiell nicht ungewöhnlich.
Pulmonale Erkrankungen
SARS-CoV-2 verursacht sehr häufig Atemwegsinfektionen. Meist in der zweiten Krankheitswoche kann sich eine Pneumonie entwickeln, die in ein beatmungspflichtiges ARDS (Acute Respiratory Distress Syndrome) fortschreiten kann, das u. U. eine extrakorporale Membranoxygenierung (ECMO) erforderlich macht (76-78).
Neurologische Symptome und Erkrankungen
Als neurologische Symptome werden Kopfschmerzen, Schwindel und andere Beeinträchtigungen beschrieben, die neuroinvasive Eigenschaften des Virus vermuten lassen (79-81). Dazu zählen auch neuropsychiatrische Symptome bzw. Krankheitsbilder (82, 83) sowie einzelne Fälle möglicherweise SARS-CoV-2-assoziierter akuter nekrotisierender hämorrhagischer Enzephalopathie (84) und Meningitis (85). Darüber hinaus sind Fälle eines Guillain-Barré- und Miller-Fisher-Syndroms beschrieben worden (83, 86-95).
Gastrointestinale Symptome
Eine SARS-CoV-2 Infektion kann mit gastrointestinalen Symptomen (Übelkeit, Appetitlosigkeit, Erbrechen, abdominelle Schmerzen, Durchfälle) und Leberfunktionsstörungen einhergehen (96, 97).
Herz-Kreislauf-Symptome und Erkrankungen
Eine kardiale Beteiligung ließ sich anhand erhöhter Herzenzyme bzw. Troponin bei einem Teil der Patienten nachweisen, darunter auch Kinder und Patienten mit mildem oder moderatem Verlauf (98-102). Insbesondere bei schweren Infektionen der Atemwege erleidet eine Reihe von Patienten kardiovaskuläre Erkrankungen, einschließlich Myokardschädigungen, Myokarditis, akutem Myokardinfarkt, Herzinsuffizienz, Herzrhythmusstörungen und venösen thromboembolischen Ereignissen (103, 104). Die pathologisch erhöhte Blutgerinnung geht bei schweren COVID-19-Verläufen mit einem erhöhten Risiko für Thromboembolien, u. a. in den unteren Extremitäten, sowie Lungenarterien- und zerebrovaskulären Embolien und möglichen Folgeschäden einher (105-108).
Nierenerkrankungen
Insbesondere bei schwer erkrankten beatmungspflichtigen COVID-19-Patienten wird das Auftreten von akutem, u. U. dialysepflichtigem, Nierenversagen beobachtet (25, 76, 109-116).
Dermatologische Manifestationen
Es ist eine relativ große Bandbreite an dermatologischen Manifestationen beschrieben, die jedoch insgesamt selten sind (0,2-1,2%) (25). Dazu zählen juckende, morbilliforme Ausschläge, Papeln, Rötungen und ein Nesselsucht-ähnliches Erscheinungsbild sowie Hautbläschen und Frostbeulen-ähnliche Hautläsionen. In seltenen Fällen sind schwere Durchblutungsstörungen in den Akren bis hin zum Gangrän beschrieben (117-125). Das Auftreten dieser Hautmanifestationen wird sowohl am Anfang des Krankheitsverlaufs (noch vor anderen bekannten Symptomen) als auch im späteren Erkrankungsverlauf beobachtet.
PIMS
siehe Abschnitt 16 unter „Komplikationen“
Hyperinflammationssyndrom
Einige Patienten mit schwerer SARS-CoV-2-Infektion entwickeln 8-15 Tage nach Erkrankungsbeginn eine Verschlechterung im Sinne eines Hyperinflammationssyndroms, in dessen Folge es zu Multiorganversagen kommen kann, das mit einer hohen Mortalität assoziiert ist.
Ko-Infektionen
Insbesondere schwer erkrankte COVID-19-Patienten können unter weiteren Infektionen leiden (101, 109, 126-131). Zu den nachgewiesenen Erregern zählen u. a. Mycoplasma pneumoniae, Candida albicans und Aspergillus spp. Zudem wurden in einigen Fällen Superinfektionen mit multiresistenten Bakterien (z. B. Klebsiella pneumoniae und Acinetobacter baumannii) festgestellt.
10. Dauer der Ansteckungsfähigkeit (Kontagiosität)
Der genaue Zeitraum, in dem Ansteckungsfähigkeit besteht, ist noch nicht klar definiert. Als sicher gilt, dass die Ansteckungsfähigkeit in der Zeit um den Symptombeginn am größten ist (132-135) und dass ein erheblicher Teil von Transmissionen bereits vor dem Auftreten erster klinischer Symptome erfolgt (133, 134, 136, 137). Zudem ist gesichert, dass bei normalem Immunstatus die Kontagiosität im Laufe der Erkrankung abnimmt, und dass schwer erkrankte Patienten mitunter länger infektiöses Virus ausscheiden als mild-moderat erkrankte Patienten (133, 135, 138). Bei mild-moderater Erkrankung gilt eine Kontagiosität später als 10 Tage nach Symptombeginn als äußerst unwahrscheinlich (139-142) und ist nur in Einzelfällen beschrieben (143-145). Bei schweren Erkrankungen gibt es Hinweise, dass die Patienten auch noch deutlich später als 10 Tage nach Symptombeginn ansteckend sein können (138).
Im Gegensatz zu replikationsfähigem Virus ist die RNA von SARS-CoV-2 bei vielen Patienten noch Wochen nach Symptombeginn mittels PCR-Untersuchung nachweisbar (146), diese positiven PCR- Ergebnisse sind jedoch nicht mit Ansteckungsfähigkeit gleichzusetzen (135, 136, 141, 147, 148).
In einem gewissen Rahmen variieren die Angaben zur Zeitspanne der Ansteckungsfähigkeit vor bzw. nach Symptombeginn. Eine Ursache hierfür sind die zwischen verschiedenen Studien uneinheitlichen (oder fehlenden) Definitionen des Symptombeginns; außerdem wird eine unspezifische Initialsymptomatik nicht von allen Patienten als Krankheitsbeginn erkannt und mitgeteilt.
Der derzeitige Kenntnisstand zur Zeitdauer der Ansteckungsfähigkeit basiert auf zwei Arten von Untersuchungen:
- Epidemiologische (Kontaktnachverfolgungs-) Studien: Hierbei wird die Zeitdauer zwischen einem Übertragungsereignis und dem Symptombeginn der infizizierenden Person bestimmt. Die ermittelte Übertragungsrate wird dabei durch die Anzahl der Kontakte beeinflusst. Aufgrund von Isolierungsmaßnahmen sinkt diese häufig, sobald Symptome auftreten, was die Bestimmung der Ansteckungsfähigkeit nach Symptombeginn erschwert. Epidemiologische Studien deuten darauf hin, dass die Ansteckungsfähigkeit zum Zeitpunkt des Symptombeginns, an den Tagen vor Symptombeginn und in der frühen Erkrankungsphase am höchsten ist. Ausserdem liefert eine Studie Hinweise, dass nahezu die Hälfte der SARS-CoV-2-Transmissionen von präsymptomatischen Personen ausgeht (134, 137, 149).
- Virologische Studien: Erfolgreiche Virusanzucht aus Patientenmaterial weist auf die Präsenz replikationsfähiger Viren hin. Der Anzuchterfolg ist daher ein angemessenes Surrogat für Kontagiosität. Bei präsymptomatischen Personen wurde über eine erfolgreiche Virusanzucht sogar 6 Tage vor Symptombeginn berichtet (136, 144). Dies kann Ausdruck der unscharfen Definition des Symptombeginns sein (s. o.) oder auf die Möglichkeit mitunter frühzeitiger präsymptomatischer Übertragungen hinweisen. Innerhalb der ersten Woche nach Symptombeginn sinkt die Anzuchtwahrscheinlichkeit ab (135, 144), bei schwerer Erkrankung oder Immundefizienz besteht jedoch die Tendenz zur längeren Ausscheidung infektiöser Viren (138). Ob das Lebensalter die Zeitdauer der Ansteckungsfähigkeit beeinflusst, ist bislang nicht abschließend geklärt. Hohes Alter stellt jedoch einen unabhängigen Risikofaktor für die längere Ausscheidung von SARS-CoV-2 RNA dar (150, 151). In Hochrisikosettings wie Altenpflegeeinrichtungen bestehen daher, ebenso wie bei schwerer Erkrankung, gesonderte Regelungen zur Isolierun
11. Durchschnittliche Zeitintervalle bei der Behandlung
Zeit von Symptombeginn bis Hospitalisierung
Die Dauer bis zur Hospitalisierung wird nicht allein durch den Krankheitsverlauf sondern auch durch andere Faktoren, wie z.B. die Leistungsfähigkeit und Struktur der medizinischen Versorgung, bestimmt. Die Zeit bis zur Hospitalisierung aus einer chinesischen Fallserie aus Wuhan im Januar 2020 betrug etwa sieben Tage (141). Neuere Studien, z. B. aus Deutschland (n=50), England (n=16.749) und Shanghai (n=249), berichten über einen Zeitraum von im Mittel (Median) vier Tagen (IQR: 1-8 Tage) (157, 158). Für Patienten mit akutem Lungenversagen wurde ein Zeitraum von sieben (IQR: 2–10) Tagen berichtet (159).
Zeit von Symptombeginn bis Pneumonie und ARDS
In einer Veröffentlichung (chinesische Fallserie [n = 1.099]) betrug die Zeitspanne von Symptombeginn bis Pneumonie vier Tage (IQR: 2–7 Tage), und bis zum akuten Lungenversagen acht Tage (IQR: 6-12) (25, 160).
Zeit von Symptombeginn bzw. Hospitalisierung bis Aufnahme Intensivstation ITS
Eine Studie mit 50 Patienten aus Deutschland berichtet über eine mediane Dauer von neun Tagen von Symptombeginn bis zur ITS (159). Die Zeitspanne von Hospitalisierung bis ITS ist im Bericht des ISARIC (International Severe Acute Respiratory and Emerging Infections Consortium) auf Basis von 51.270 Erkrankten aus 42 Ländern im Mittel (Median) mit einem Tag angegeben (IQR: 1-3 Tage) (161).
Dauer des Aufenthalts im Krankenhaus und auf der Intensivstation
Die mittlere Gesamtdauer der Krankenhausaufenthalte von 51.270 Erkrankten im ISARIC Bericht wird im Mittel (Median) mit 8 Tagen angegeben (IQR: 6-10 Tage) (161).
Im Rahmen einer deutschen Sentinel-Erhebung über 1.426 COVID-19-Patienten mit einer akuten respiratorischen Erkrankung wurde eine mediane Hospitalsierungsdauer von 10 Tagen angegeben (IQR: 5-19 Tage) (162). COVID-19-Patienten mit einer Intensivbehandlung waren hierbei im Median 16 Tage hospitalisiert (IQR: 8-27 Tage), Patienten mit mechanischer Beatmung für 18 Tage (IQR: 8-31 Tage). Wo eine Intensivbehandlung notwendig war, dauerte sie im Median 5 Tage (IQR: 2-15 Tage), eine mechanische Beatmung dauerte im Median 10 Tage (IQR:3-19). Patienten ohne Intensivbehandlung oder Beatmung, die nach Hause entlassen werden konnten, waren im Schnitt 7 Tage hospitalisiert.
Zeit von Symptombeginn bis zum Tod
In einer Fallserie wird die mittlere Dauer von Symptombeginn bis zum Tod mit 18 Tagen (163) und in einer Übersichtsarbeit mit 16 Tagen angebe
12. Angaben zu hospitalisierten COVID-19 Erkrankten
Anteil der Hospitalisierten unter den Erkrankten
Laut der Daten aus dem deutschen Meldesystem werden ca. 14% der in Deutschland übermittelten Fälle hospitalisiert.
Anteil der Hospitalisierten, die auf ITS behandelt wurden
Im Rahmen einer Fallserie aus 12 New Yorker Krankenhäusern wurden 14% der hospitalisierten COVID-19 Erkrankten intensivmedizinisch behandelt (165). Für Deutschland wurde dieser Anteil auf ca. 8 % geschätzt (166). Unter hospitalisierten COVID-19-Patienten mit einer schweren akuten Atemwegserkrankung mussten 37 % intensivmedizinisch behandelt werden (162).
Anteil der beatmungspflichtigen Erkrankten
Laut einer Studie mit über 10.021 Erkrankten in 920 Krankenhäusern in Deutschland wurden 17% beatmet, wobei das Risiko für eine Beatmungspflicht unter hospitalisierten Männern doppelt so hoch war wie bei Frauen (116). Laut dem von der Deutschen Interdisziplinären Vereinigung für Intensiv- und Notfallmedizin (DIVI) und dem RKI gemeinsam geführten DIVI-Intensivregister werden aktuell 53% der intensivmedizinisch behandelten Erkrankten beatmet (Stand 02. Oktober 2020). In einer Sentinelerhebung von hospitalisierten COVID-19-Patienten mit schwerer akuter Atemwegserkrankung wurden 22% der Patienten mechanisch beatmet (162).
Anteil der invasiv beatmeten Patienten mit extrakorporaler Membranoxygenierung (ECMO)
Hierzu liegen nur wenige Informationen vor. In einer Studie in den USA wurde bei 10% der beatmeten Patienten eine ECMO eingesetzt (167).
Anteil Verstorbener unter Hospitalisierten und ITS-Patienten
In der deutschen Studie mit 10.021 Hospitalisierten starben insgesamt 22% der Patienten. Die Letalität lag bei beatmungspflichtigen Patienten höher als bei nicht-beatmeten Patienten (53% vs. 16%) (116). In einer internationalen Übersichtsarbeit wurde der Anteil der Verstorbenen unter den intensivmedizinisch behandelten Erkrankten auf 34% geschätzt (168). In der deutschen Sentinel-Erhebung wurde der Anteil Verstorbenener unter hospitalisierten COVID-19-Patienten mit schwerer akuter Atemwegserkrankung mit 21% angegeben. Unter Intensivpatienten verstarben 30% und unter mechanisch beatmeten Patienten 36% (162).
13. Fall-Verstorbenen-Anteil, Letalität
Für den Fall-Verstorbenen-Anteil (engl. case fatality rate, CFR) teilt man die Zahl der gemeldeten verstorbenen Fälle durch die Zahl der gemeldeten Fälle in einer Population. Alternativ wird durch die Zahl der Fälle mit bekanntem Endpunkt (genesene und verstorbene Fälle) geteilt. Ersterer Quotient würde den endgültigen Anteil unterschätzen, bei letzterem Quotient würde der endgültige Anteil überschätzt werden. Die mit COVID-19 verbundenen CFRs sind vor allem altersspezifisch, variieren international stark zwischen den einzelnen Ländern und im Laufe der Zeit innerhalb der Länder (169). Wie bei SARS-CoV-1 zeigt sich jedoch ein ähnlicher Zusammenhang zwischen CFR und dem Alter – während der Fall-Verstorbenen-Anteil bei Erkrankten bis etwa 50 Jahren unter 0,1% liegt, steigt er ab 50 zunehmend an und liegt bei Personen über 80 Jahren häufig über 10% .
Die Letalität beschreibt die Anzahl der verstorbenen Fälle als Anteil der Zahl der (tatsächlich) erkrankten Fälle. Dazu liegen keine verlässlichen Daten vor, weil die tatsächliche Anzahl erkrankter Menschen unbekannt ist.
14. Therapie
Informationen über die Therapie von COVID-19 sind unter anderem auf den Seiten der Fachgesellschaften, bei der Arbeitsgemeinschaft der Wissenschaftlichen Medizinischen Fachgesellschaften (AWMF) sowie auf den Seiten des RKI zu
15. Risikogruppen für schwere Verläufe
Dieser Steckbrief dient lediglich als Orientierung und kann nur einen Überblick zu größeren Erkrankungsgruppen bzw. Risikofaktoren geben. Die Vielfalt verschiedener potentiell prädisponierender Vorerkrankungen und ihrer Schweregrade sowie die Vielzahl anderer Einflussfaktoren machen die Komplexität einer Risiko-Einschätzung deutlich. Daher ist eine generelle Festlegung zur Einstufung in eine Risikogruppe nicht möglich. Eine personenbezogene Risiko-Einschätzung im Sinne einer (arbeits-) medizinischen Beurteilung finden sich im Dokument „Umgang mit aufgrund der SARS-CoV-2-Epidemie besonders schutzbedürftigen Beschäftigten“ des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales. Wichtige weiterführende Informationen zur Risiko-Einschätzung finden sich auch auf den Internetseiten der jeweiligen medizinischen Fachgesellschaften.
Schwere Verläufe können auch bei Personen ohne bekannte Vorerkrankung (101, 171) und bei jüngeren Patienten auftreten (172, 173). Bei folgenden Personengruppen werden schwere Krankheitsverläufe häufiger beobachtet:
- ältere Personen (mit stetig steigendem Risiko für einen schweren Verlauf ab etwa 50–60 Jahren; 86 % der in Deutschland an COVID-19 Verstorbenen waren 70 Jahre alt oder älter [Altersmedian: 82 Jahre])
- Männliches Geschlecht (64)
- Raucher (25, 174, 175) (schwache Evidenz)
- stark adipöse Menschen
Personen mit bestimmten Vorerkrankungen, ohne Rangfolge (116, 176, 177):
- des Herz-Kreislauf-Systems (z. B. koronare Herzerkrankung und Bluthochdruck)
- chronische Lungenerkrankungen (z. B. COPD)
- chronische Nieren- und Lebererkrankungen
- Patienten mit Diabetes mellitus (Zuckerkrankheit)
- Patienten mit einer Krebserkrankung
- Patienten mit geschwächtem Immunsystem (z. B. aufgrund einer Erkrankung, die mit einer Immunschwäche einhergeht oder durch die regelmäßige Einnahme von Medikamenten, die die Immunabwehr beeinflussen und herabsetzen können.
16. Kinder und Jugendliche
Ungeborene und neugeborene Kinder
Zur Zeit können keine validen Aussagen über die Auswirkung einer Infektion auf das ungeborene Kind gemacht werden, da es bisher nur wenige Follow-Up-Daten über Schwangere mit SARS-CoV-2-Infektion gibt. Grundsätzlich kann hohes Fieber während des ersten Trimenons der Schwangerschaft das Risiko von Komplikationen und Fehlbildungen erhöhen.
Gemäß eines großen systematischen Reviews (41) wird bei an COVID-19 erkrankten Schwangeren keine erhöhte Rate an spontanen Frühgeburten beobachtet, der Anteil anderweitiger Frühgeburten ist jedoch größer. Zum Übertragungsweg des Virus von der Mutter auf das ungeborene Kind siehe Abschnitt 2, „vertikale Transmission“. Die Neugeborenen werden häufiger stationär aufgenommen bzw. beobachtet, was durch die jeweils geltenden Quarantäneregeln mit bedingt sein kann. Die perinatalen Outcomes Neugeborener von Müttern mit und ohne COVID-19 zeigen keine Unterschiede.
Kinder und Jugendliche
Häufigkeit/Prävalenz:
Die auf PCR-Testung basierende Prävalenz als Ausdruck aktiver Infektionsgeschehen liegt bei Kindern in den meisten Studien niedriger als bei Erwachsenen (178-182). In serologischen Studien zeigt sich kein einheitliches Bild: teils unterscheiden sich die Seroprävalenzen wenig von Erwachsenen (183-186), teilweise zeigte sich bei Kindern im Vergleich eine niedrigere Seroprävalenz (187-190). Zu beachten ist, dass neben der Empfänglichkeit für eine Infektion auch Anzahl und Art der Kontakte eine Rolle spielen. Da die Studien meist während oder im Anschluss an Kontaktbeschränkungen bzw. Lockdown-Situationen durchgeführt wurden, ist die Übertragbarkeit auf den Alltag begrenzt.
Empfänglichkeit/Suszeptibilität:
In Studien in denen Kontaktpersonen von infektiösen Personen untersucht wurden, zeigte sich bei Kindern im Vergleich zu Erwachsenen meist eine geringere Empfänglichkeit (191-196). Kinder im Kindergartenalter waren weniger empfänglich für eine Infektion mit SARS-CoV-2 als Kinder im Schulalter (191, 194).
Infektiosität:
Die Infektiosität im Kindesalter wurde bisher selten untersucht und kann daher nicht abschließend bewertet werden. Die Ansteckungsrate durch Kinder war in Studien ähnlich hoch oder höher als bei erwachsenen Indexfällen (193, 197). Studien zur Viruslast bei Kindern zeigen keinen wesentlichen Unterschied zu Erwachsenen (198-202).
Symptome und Verlauf:
Wie bei Erwachsenen zählen Fieber und Husten zu den häufigsten Symptomen (203, 204). Weitere mögliche Krankheitszeichen sind Magen-Darm-Symptome, Kopfschmerzen, Körperschmerzen und Myalgie, Schnufpen, Halsschmerzen, Brustschmerzen und Herzrasen, Kurzatmigkeit und Atemnot und Geschmacks- und Geruchsverlust (182, 202-205). Eine Magen-Darm-Beteiligung kommt häufiger vor als bei Erwachsenen, teilweise auch ohne dass respiratorische Symptome vorliegen (206). Der Manifestationsindex wird in Studien etwas geringer als bei Erwachsenen beziffert (182, 207, 208). Die Mehrzahl der Kinder zeigt nach bisherigen Studien einen asymptomatischen oder milden Krankheitsverlauf (182, 185, 204, 205, 207, 209). Nur ein sehr kleiner Teil benötigt eine intensivmedizinische Versorgung und wird beatmungspflichtig (182, 204, 210).
Risikofaktoren für einen schweren Verlauf:
Bei den hospitalisierten Kindern sind pulmonale (15 %) und kardiale (8 %) Vorerkrankungen häufiger registriert worden (211). Insbesondere bei Säuglingen und Kleinkindern sind auch schwere Verläufe beschrieben (207, 210-216). In einer europaweiten Studie waren ein Alter unter einem Monat, das Vorliegen einer Vorerkrankung sowie Anzeichen einer Infektion der unteren Atemwege Risikofaktoren für eine Aufnahme auf die Intensivstation (210).
Komplikationen:
Mehrere Länder berichten Fälle mit einem Krankheitsbild, welches das ECDC als „paediatric inflammatory multisystem syndrome (PIMS)“ in Kombination mit einem „toxic shock syndrome“ (TSS) bezeichnet. PIMS-TSS weist Ähnlichkeit mit dem Kawasaki-Syndrom auf, das bei Kindern im Zusammenhang mit anderen Infektionskrankheiten beobachtet wird. Das Risiko für Kinder, an PIMS-TSS zu erkranken, wird vom ECDC als gering eingeschätzt, auch sind durch PIMS-TSS bedingte Todesfälle bei Kindern sehr selten (217-219). Informationen zu diesem Krankheitsbild werden u. a. auf den Webseiten der Deutschen Gesellschaft für Pädiatrische Infektiologie und des ECDC bereitgestelt.
17. Immunität
Eine Infektion mit SARS-CoV-2 induziert die Bildung unterschiedlicher Antikörperklassen, die gegen das S- oder N-Protein gerichtet und im Median in der zweiten Woche nach Symptombeginn nachweisbar sind (220). Unklar ist zum jetzigen Zeitpunkt noch, wie regelhaft, robust und dauerhaft dieser Immunstatus aufgebaut wird. Es kommen derzeit diverse Antikörper-Assays zum Einsatz, die sich hinsichtlich Target-Antigenen (S1, S2, S-Trimer, RBD, N), detektierten Antikörperklassen (IgG, IgM, IgA) und Test-Performance unterscheiden. Diese Heterogenität ist bei der Interpretation serologischer Daten aus unterschiedlichen Settings zu berücksichtigen und erschwert deren Vergleich (221).
Neutralisierende Antikörper sind in der Regel am Ende der zweiten Woche nach Symptombeginn nachweisbar (135, 222-230), jedoch vermutlich nicht bei allen Infizierten. In zwei Studien konnten bei 6% (229), bzw. 41% der Probanden (231) keine neutralisierenden Antikörper nachgewiesen werden.
Darüber hinaus wurde bei schweren COVID-19-Verläufen mit Todesfolge eine Störung des B-Zell-Reifungsprozesses beschrieben (232). Es ist nicht bekannt, ob diese Störung der B-Zell-Reifung auch bei milderen Verläufen auftritt.
Einige Studien berichten über eine T-Zell-Kreuzreaktivität auf Proteine endemischer Coronaviren und SARS-CoV-2. Diese Kreuzreaktivität lässt eine Hintergrundimmunität vermuten, die möglicherweise Schutz vor einer schweren COVID-19-Erkrankung bietet. Während bei Untersuchungen zur zellulären SARS-CoV-1-Immunität Virus-spezifische T-Zellen 6 bzw. 11 Jahre nach Infektion bei Genesenen, jedoch nicht bei Nichtinfizierten nachgewiesen wurden (233, 234), waren auch bei ca. einem Drittel gesunder Proband*innen SARS-CoV-2-reaktive CD4 T-Zellen vorhanden (235). Bei Erkrankten wurde eine T-Zell-Reaktivität gegen das Spike-Protein (235, 236) sowie gegen weitere SARS-CoV-2-Proteine festgestellt (237, 238), die mit dem Nachweis neutralisierender Antikörper korrelierten (239).
T-Zellen konnten auch bei asymptomatisch Infizierten nachgewiesen werden, die keine Antikörpertiter aufwiesen (240). Somit könnten T-Zellen auch bei fehlendem Antikörpernachweis möglicherweise Schutz bieten. Ob diese Zellen auch vor einer Reinfektion schützen und dadurch das Reinfektionsrisiko gesenkt wird, bleibt fraglich. Es wurden bisher nur sehr wenige Fälle publiziert, bei denen es sich um eine Reinfektion mit unterschiedlicher Symptomatik handelte (241-243).
Die Erfahrungen mit anderen Coronavirus-Erkrankungen (SARS und MERS) deuten darauf hin, dass die Immunität bis zu drei Jahre anhalten könnte (244-247). Um dies genauer zu bestimmen, sind Längsschnittstudien erforderlich (248). Tierversuche an Rhesusaffen (249) liessen ein geringes Reinfektionsrisiko erkennen. Sowohl beim Menschen als auch im Tiermodell gibt es Hinweise, dass eine geschlechtsspezifische Immunantwort die Schwere der Erkrankung beeinflusst (250, 251).
18. Impfung
Aktuell steht kein Impfstoff zum Schutz vor COVID-19 zur Verfügung. Laut WHO befinden sich mit Stand 30. September 2020 190 Impfstoff-Kandidaten in der Entwicklung, die auf unterschiedlichen Wirkprinzipien beruhen (z. B. DNA, mRNA, Protein Subunit oder Vektor-Impfstoffe) (252).
Die meisten Impfstoff-Kandidaten befinden sich derzeit noch in der prä-klinischen bzw. explorativen Entwicklungsphase. Mittlerweile werden aber auch schon 41 Impfstoff-Kandidaten in klinischen Studien an Menschen untersucht (Stand 30. September 2020). Im Juli wurden die ersten Phase 3 Studien zum Nachweis der klinischen Wirksamkeit und Sicherheit mit verschiedenen Impfstoffkandidaten in verschiedenen Ländern genehmigt, u. a. für Vektorbasierte bzw. mRNA-Impfstoffe. Sofern die aus diesen Studien resultierenden Daten positiv sind, könnten erste COVID-19 Impfstoffe Anfang 2021 zugelassen werden. Ein genaues Datum, wann die Zulassungen erfolgen und wann mit ausreichenden Mengen an Impfstoff zu rechnen ist, lässt sich aber noch nicht absehen.
19. Besondere Aspekte
„Superspreading“ und „superspreading events“
Superspreading events (SSE) sind Ereignisse, bei denen eine infektiöse Person eine Anzahl an Menschen ansteckt, die deutlich über der durchschnittlichen Anzahl an Folgeinfektionen liegt. In diesem Erreger-Steckbrief werden SSE als Einzelereignisse verstanden, im Gegensatz zu Situationen mit intensiver Übertragung, in denen mehrere Ereignisse, möglicherweise über mehrere Tage, zum Übertragungsgeschehen beitragen.
Für das Auftreten eines SSE sind die folgenden drei Aspekte von Bedeutung: (i) die Anwesenheit eines Superspreaders, (ii) die äußeren Begleitumstände (Setting) und (iii) die Eigenschaften der Exponierten.
Ad (i): die individuelle Infektiosität unterliegt vermutlich einer großen Streuung, so dass wenige Personen sehr infektiös und viele weniger infektiös sind (253). Möglicherweise spielt hier eine Rolle, dass manche Personen besonders viele infektiöse Partikel beim Atmen (254), Sprechen (255) oder Singen (256) emittieren (sogenannte „super-emitter“).
Ad (ii): es gibt Begleitumstände, die eine ungewöhnlich hohe Übertragung begünstigen. Zu diesen gehören vor allem Situationen, in denen sich kleine, infektiöse Partikel (aerosolisierte Partikel) im Raum anreichern. Dazu tragen kleine Räume, keine oder geringe Frischluftzufuhr, längerer Aufenthalt (257) sowie die vermehrte Freisetzung kleiner Partikel durch Aktivitäten mit gesteigerter Atemtätigkeit wie Schreien, Singen, Sporttreiben oder andere schwere körperliche Aktivität bei. Ein weiterer Faktor können extensive soziale Interaktionen und erhöhte Kontaktraten sein.
Ad (iii): auch wenn sich unter den Exponierten besonders viele vulnerable Personen befinden, kann es zu einer großen Anzahl an Übertragungen kommen. So sind beispielsweise ältere Personen empfänglicher (suszeptibler) als jüngere (258, 259).
Klassische Beispiele für SSE sind die SARS-Ausbrüche im Jahr 2003 durch einen infizierten Arzt im Metropol-Hotel in Hong Kong (260) und durch eine einzelne infektiöse Person im Amoy Garden- Wohnkomplex in Hong Kong (261). Zu größeren COVID-19-Ausbrüchen kam es u. a. in Chören (18), in Fitnessstudios (262), bei religiösen Veranstaltungen (263, 264), in fleischverarbeitenden Betrieben (19, 265), oder während eines Jugendcamps in den USA (266).
Typische SSE-Settings mit und Situationen mit erhöhter Wahrscheinlichkeit für Übertragungen sollten vermieden werde. Dazu zählen u.a. Treffen in geschlossenen Räumen bei schlechter Belüftung, Menschenansammlungen und Gespräche ohne Mund-Nasen-Bedeckung (Vermeiden Sie die „Drei Gs“!).
Untererfassung
Die veröffentlichten Fallzahlen basieren auf den im Meldesystem gemäß Infektionsschutzgesetz erfassten COVID-19-Fällen. Veröffentlicht werden gemäß Falldefinition des RKI nur laborbestätigte COVID-19-Fälle unabhängig davon, ob klinische Symptome vorliegen. Die Vollzähligkeit der Erfassung hängt von verschiedenen Faktoren ab, einerseits von der medizinischen Versorgung, also u. a. davon, wie viele Personen einen Arzt aufsuchen und wie viele Laboruntersuchungen durchgeführt werden. Bei COVID-19 treten viele asymptomatische und milde Verläufe auf, sodass davon auszugehen ist, dass nicht alle Infizierten eine/n Arzt/Ärztin aufsuchen und auch nicht für alle ein Labortest veranlasst wird. Andererseits spielt die Fallfindung durch die Gesundheitsämter im Rahmen von Ausbruchsuntersuchungen und der Kontaktpersonennachverfolgung eine wichtige Rolle.
Im Rahmen von Antikörperstudien kann der Anteil der Personen geschätzt werden, die tatsächlich eine Infektion durchgemacht haben. Eine systematische Übersichtsarbeit über serologische SARS-CoV-2 Studien zeigt in 8 Studien eine große Spannweite der Untererfassung um den Faktor 2 bis 34, mit einem geschätzten durchschnittlichen Faktor 10 (267). In einer in Gangelt im Kreis Heinsberg durchgeführten Studie wurde eine Untererfassung um den Faktor 5 gezeigt (268). Im Rahmen der Studie CORONA-MONITORING lokal des RKI werden in vier besonders betroffenen Regionen in Deutschland Antikörperstudien unter 2.000 hier lebenden Erwachsenen durchgeführt. Die ersten Ergebnisse aus Kupferzell und Bad Feilnbach sprechen ebenfalls für eine Untererfassung, die deutlich unter 10 liegt. Eine bundesweite Antikörperstudie in Zusammenarbeit mit dem Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung ist geplant; die Datenerhebung beginnt im Oktober.
Es ist jedoch möglich, dass auch Antikörperstudien den Anteil der Infektionen unterschätzen (269). Zum Beispiel hat eine Pilotstudie des Karolinska-Instituts festgestellt, dass der Prozentsatz der Menschen, die nach einer milden oder asymptomatischen Erkrankung oder dem Kontakt mit infizierten Familienmitgliedern T-Zell-Reaktionen zeigten, die durchweg den Prozentsatz der nachweisbaren serologischen Antikörper (IgG-Reaktionen) gegen das Virus überstieg (270).
Tenazität und Inaktivierung des Virus
Die nachfolgenden Daten zur Tenazität von SARS-CoV beruhen auf Laboruntersuchungen. Aufgrund der strukturellen Ähnlichkeit der beiden Viren SARS-CoV und SARS-CoV-2 liegt es nahe, die umfangreicheren Daten zu SARS-CoV der Tenazitäts-Beurteilung von SARS-CoV-2 zu Grunde zu legen. Inzwischen liegen auch Daten zu SARS-CoV-2 vor, die diese Annahmen zum Teil bestätigen (22).
Aerosole
In einer Studie mit experimentell hergestellten, mit SARS-CoV-2-Viren angereicherten Aerosolen waren vermehrungsfähige Viren nach drei Stunden im Aerosol nachweisbar (22) (siehe Abschnitt 2 „Übertragungswege“).
Stabilität auf Oberflächen
In mehreren Untersuchungen wurde SARS-CoV-2-RNA auf verschiedenen Flächen in der Umgebung von COVID-19-Patienten gefunden (274-276). In keinem Fall gelang bisher die Anzucht des Virus, so dass nicht geklärt ist, ob das Virus von diesen realen Flächen übertragen werden kann.
Beide Viren (SARS-CoV und SARS-CoV-2) sind auf glatten Oberflächen wie Plastik oder Edelstahl in Laborversuchen deutlich stabiler als auf porösen Oberflächen. Für die glatten Flächen wird für SARS-CoV-2 eine Stabilität von 3 bis 7 Tagen angegeben (22, 277, 278). Auf porösen Oberflächen wie z.B. Einweg- und Baumwollkitteln und Papier wurde die Abhängigkeit des Infektiositätsverlustes von Virusmenge und Zeit für SARS-CoV gezeigt. Geringere Virusmengen (104/ml) konnten bis zu 5 Minuten, höhere Virustiter (106/ml) bis zu 24 Stunden, bzw. auf Einwegkitteln bis zu 2 Tagen nachgewiesen werden (279). Auf Baumwollkleidung und auf Papier war SARS-CoV-2 bis zu 4 Tage infektiös (280).
Auf Oberflächen ändert sich die Infektiosität von SARS-CoV-2 bis 30°C nicht (281). Wurde zusätzlich zur Temperatur die Luftfeuchtigkeit stark erhöht (38°C, <95% r.F.), wurde SARS-CoV bereits innerhalb von 24 Stunden inakiviert (282).
Temperaturbeständigkeit
Zum Einfluss der Temperatur liegen überwiegend Daten zu SARS-CoV vor, die in Flüssigkeiten ermittelt wurden. Darin weist das Virus eine hohe Temperaturbeständigkeit auf. Verschiedene Studien deuten darauf hin, dass der Virustiter und der jeweils verwendete Stamm Unterschiede in der Temperaturbeständigkeit bedingen (283), das auch in den folgenden Angaben unterschiedlicher Autoren sichtbar wird. So werden für eine Reduktion des Virus um mehr als 4 Zehnerpotenzen bei 56°C 5-20 Minuten angegeben (283). Die Einbettung des Virus in Proteine oder Serum erfordert längere Einwirkzeiten zur Inaktivierung (278, 284). Bei 60°C wird das Virus in Abhängigkeit von der Proteineinbettung in 15-30 Minuten bis unter die Nachweisgrenze inaktiviert (284), bei 65°C werden 10 Minuten zur weitgehenden Inaktivierung benötigt. Zum kompletten Verlust der Infektiosität werden bei 56°C und 65°C 90 Minuten und bei 75°C 30-45 Minuten benötigt (285, 286). Zu SARS-CoV-2 liegen bisher nur wenige Daten vor. Bei 70°C wird das Virus in 5 Minuten inaktiviert (277). Niedrige Temperaturen (– 4°C) vermindern die Infektiosität bei beiden SARS-Coronaviren nicht (278) (bei SARS-CoV-2 über 14 Tage beobachtet (277)).
UV-Beständigkeit
Zur Wirkung von UV-Licht liegen unterschiedliche Daten zu SARS-CoV vor. UVC inaktiviert SARS-CoV in 15 Minuten im Zellkulturmedium und in 40 Minuten in Phosphatpuffer (nm/4016µW/cm2) bis unter die Nachweisgrenze (284). Durch die Einbettung des Virus in Protein (BSA) kann mit derselben Behandlung nur eine sehr geringe Virusinaktivierung erreicht werden (284, 287). UVA und Gammastrahlung bewirken unter den beschriebenen Versuchsbedingungen keine Inaktivierung (286).
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